Seit Georg Genoux durch Sachsen reist, führt er Tagebuch über seine Erlebnisse, Begegnungen und Eindrücke. Hier stellt er eine Reihe von Einträgen vor, die ihm besonders wichtig sind.

Warum überhaupt ein Tagebuch?
Es war ein heißer Sommer. Vor ungefähr zwei Jahren kam ich für das Festival „Dreiländerspiel“ zum ersten Mal nach Zittau. Am Gerhart Hauptmann Theater inszenierte ich ein Theaterstück über den Krieg in der Ukraine. Jetzt, es ist Mai 2018, bin ich wieder hier. Im Osten. In der Oberlausitz. In Sachsen.
Irgendwie spürte ich schon beim letzten Besuch etwas Sonderbares in dieser Gegend. Tatsächlich war es eine Art Faszination. Das mag für den ein oder anderen seltsam klingen. Aber ich realisierte: Hier, in Deutschland, im Land, in dem ich aufgewachsen bin, gibt es noch eine andere Welt, die ich noch nicht kannte. Ein Land mit dramatischer Vergangenheit und unendlicher Schönheit.

Scheinbar. Nach der großen Zuwanderungswelle änderte sich so einiges. Dieselben Menschen in Zittau beispielsweise, die mir in Sachsen einst so liebenswürdig begegneten, erkenne ich heute einfach nicht mehr wieder. Da ist nun so viel Hass – Hass vor allem auf das Fremde. Wie kann das sein? In Bautzen beispielsweise steht die erste ökumenische Kirche der Welt. Für mich ein Symbol der Versöhnung. Doch heute? Längst ein Sinnbild für Pegida, Rechtsradikalität und Gewalt.
Mein Name ist Georg.
Zwanig Jahre habe ich in Osteuropa gelebt und gearbeitet. Deutschland habe ich seit meinem Studium nur selten besucht. Ich kenne dieses Land eher als Gast. Und fühle mich auch so. Meine Arbeit und mein Leben haben immer woanders stattgefunden. Jetzt bin ich 41 Jahre alt und möchte eine zeitlang in dieses „Land, das ich nicht kenne“ zurückkehren. Ich möchte dort leben und beobachten, was hier mit mir geschieht.
Nun unterbreche ich meine Arbeit in der Ukraine, um in den sächsischen Gebieten ein Theaterstück zu inszenieren, Kurzfilme zu drehen und mit den unterschiedlichsten Menschen in Berührung zu kommen.
Dabei wird ein Dokumentarfilm entstehen, den ich gemeinsam mit dem Berliner Filmemacher Felix Kriegsheim (Boekamp & Kriegsheim GmbH) drehen werde. Auch Journalistin Kathrin Keller, mit der ich zusammen diese Idee entwickelte, wird mich durch das Projekt begleiten.
Premiere am 03. Oktober 2018 in Zittau

Der Film ist das Endprodukt, aber wöchentlich werde ich meine Eindrücke von dieser Reise hier veröffentlichen. Ich werde mit Geflüchteten und deutschen Jugendlichen Kurzfilme drehen, durch welche wir gemeinsam die Geschichten des anderen erzählen zu versuchen.
Am 03. Oktober 2018, am Tag der Deutschen Einheit, wird meine Theaterinszenierung mit Geflüchteten und sächsischen Eingesessenen, die als Autoren und Darsteller ihrer Geschichten auf der Bühne stehen, am Gerhart Hauptmann Theater in Zittau Premiere haben.