Ich versuche Sachsen zu erforschen und stoße dabei auf den weltberühmten Maler Gerhard Richter. Sabine Seifert, die in der taz über unser Projekt schrieb, hatte das Buch „Ein Maler aus Deutschland“ über Gerhard Richter auf dem Weg nach Hagenwerder gelesen. Der Reporter Jürgen Schreiber nimmt uns in seiner Richter Biographie mit in die tragische Vergangenheit von Richters Familie während der NS Zeit und damit auch Sachsens: Richter machte in Zittau Abitur, seine Tante Marianne Schönfelder starb zur NS Zeit im Rahmen der Euthanasie Programme in der Anstalt in Großschweidnitz. Auf Richters Bild „Tante Marianne“ ist sie und Richter selbst als kleiner Junge zu sehen.
Die Parallelwirklichkeit von Schicksalen, die ständig ihre Wege kreuzen und ineinander “eingreifen” ist der Motor des Buchs Schreibers die Bilder von Richter durch Tiefenbohrungen in der Vergangenheit zu erfassen. In diesem Buch wird deutlich, dass Richter vieles nicht wusste, was er eigentlich gemalt hatte. Für ihn unbewusst drückt sich aber die Wahrheit über seine Vergangenheit schon in seinen Bildern aus.
Richter malt die Wahrheit herbei
So drückt es Schreiber es in seinem Buch aus.
Mehrfach malt er zum Beispiel seinen ehemaligen Schwiegervater, ohne zu wissen, dass auch er für die Sterilisierung seiner Tante mitverantwortlich war und maßgeblich im NS Regime in Sachsen an Sterilisierungen von Frauen mitwirkte.
Als Richter diese Bilder malte, wusste er weder von den Verbrechen seines Schwiegervaters, noch von Tante Mariannes schrecklichem Tod in Großschweidnitz. Die Ärzte sterilisierten sie, ließen sie dann jahrelang erbärmlich vegetieren, hungern und schließlich durch Medikamente langsam sterben. Es fehlten ihr 2 Monate zur Befreiung Dresdens um zu überleben.
Meine Bilder sind klüger als ich
Gerhard Richter
Wie Schreiber beschreibt wollten die Angestellten und Ortsbewohner von Großschweidnitz nicht über die Vergangenheit reden. Über die diese Vergangenheit wird in Sachsen eh nicht gerne geredet. Im Buch werden aber einige für heute sehr relevante Dinge beschrieben, die sich auch auf das Heute auswirken: Kaum ein Bundesland wie Sachsen, war so aktiv im Bereich der Euthanasie, deren Organisation in Sachsen pervers perfekte Züge annahm. Hitler liebte Dresden wie keine zweite Stadt. Grausam war die Zerstörung Dresdens. Blutig war der Krieg in vielen Gebieten Sachsens.
Aufgearbeitet wurde davon wenig. Diese “Last des Schweigens”, wie der israelische Psychologe Dan Bar On es in seinem gleichnamigen Buch nennt, führt generationenübergreifend zu Schäden, Traumata und neuer Gewalt.