03. Mai 2018.
Morgens.
Ich rufe Herrn Zwahr an. Der Inhaber der Pension, in der ich in Zittau lebe.
Herr Zwahr ist sicher über 70 Jahre alt. Vor zwei Jahren hatte ich schon bei ihm gelebt. Damals hatte er große Sorgen um das Wohl seiner Gäste. Jetzt sei seine Frau erkrankt und er müsse sich um alles alleine kümmern, erzählt er mir heute.
„Guten Tag Herr Zwahr. Wo könnte ich meine Wäsche bei Ihnen waschen?
„Ach Herrje!“„Ich gehe gleich aus dem Haus. Wo könnte ich denn meine Wäsche bei Ihnen waschen?“
„Ohje, ohje, ohje …“
„Ja, ohje!“„Das ist ganz schwierig.”
„Was ist schwierig?”
Wir einigten uns schließlich darauf, dass ich die Wäsche in einem Sack vor meiner Zimmertür hinstelle und er sie “einwirft”.
Ali, 19 Jahre alt, Geflüchteter aus Afghanistan
Mittags, um 13.00 Uhr traf ich mich mit Ali, Geflüchteter aus Afghanistan. 19 Jahre alt. Er macht gerade seinen Hauptschulabschluss, bemüht sich sehr um anschließend einen Ausbildungsplatz zu finden. Dann „habe ich alles”, sagt er.

Er ist überzeugt, um in Deutschland überleben zu können, müsse man einfach immer „ja” und „Dankeschön” sagen. Sogar das „noh”, was im Ortsdialekt wiederum „ja” bedeutet, baut er immer wieder in seine Sätze mit ein.
Ali spielte eine der Hauptrollen in einer Inszenierung im Gerhart-Hauptmann-Theater in Zittau. Zuvor war er noch nie in einem Theater.
Einmal wurde er auf dem Weg zur Probe von zwei Polizisten in Zittau angehalten und vorübergehend aufgehalten. Seine Papiere werden kontrolliert. Alles in Ordnung. Der eine Polizist ist dennoch misstrauisch und will ihn nur gehen lassen, wenn er ihm etwas über Shakespeare erzählen würde. Dann erst sei er auch sicher, dass er wirklich Schauspieler sei.

Ali zeigt mir seine 1-Zimmer-Wohnung. Wir trinken Tee. Früher lebte er in einem Flüchtlingsheim in Hirschfelde. Jetzt allein in Zittau, wird er von verschiedenen staatlichen Programmen unterstützt und lernt mit aller Kraft für seinen Abschluss. Viele Bücher stehen im Raum, Plakate und Fotos von seinem ersten Auftritt im Theater.
„Heimat ist für mich Mutti …“
Er habe immer viel Besuch bei sich zu Hause, erzählt. Deutsche seien – abgsesehen von seinen Betreuern – nie dabei.
Sein Kühlschrank sei oft „zu leer für Besucher“. Im Monat habe er nur 200 Euro zu leben. Von den ungefähr 400 Euro (Hartz IV) müssen noch 90 Euro für den Strom, etwas für seinen Internet- und Handyvertrag sowie für den Handyvertrag seiner Freundin abgezogen werden.
Er kann mir nicht die Wahrheit erzählen, und erklären, warum er Afghanistan verlassen musste. Heimat sei für ihn “Mutti”. Das wichtigste im Leben sei, sie noch einmal wiederzusehen.
„… und das wichtigste ist, wenn Vati und Mutti glücklich sind!“
Wir sprechen über Frauen. Die Deutschen Mädchen hier würden ihm keine Aufmerksamkeit schenken. Er hat deshalb nur Liebschaften mit Mädchen, die, wie er, aus muslimischen Ländern kommen. Mit allen würde er schlafen, aber nur mit Kondom, wie die Heimleitung seines ersten Asylbewerberheims ihm sehr nahegelegt hätte.
Er war sehr in eine junge Frau aus Syrien, die in einem anderen Asylbewerberheim lebete, verliebt. Sie in ihn auch. Aber der Vater war gegen die Beziehung und schlug das Mädchen. Jetzt ist sie mit einem Syrer verheiratet. Es sei das Beste für sie, den das wichtigste sei, „wenn Vati und Mutti glücklich sind”.
Er verspricht mir, mir am Dienstag seinen Lieblingsort zu zeigen:
Ein See bei Zittau. „Wir sind jetzt eine Familie“, verabschiedete er sich von mir. Schließlich war ich bei ihm nun zu Gast und Tee habe ich auch schon bei ihm getrunken.
Abends.
Meine Wäsche steht noch ungerührt vor meiner Zimmertür.